Die meisten Menschen, die sich im Netz bewegen, haben bereits Hassrede wahrgenommen, viele sind sogar selbst betroffen – aber was wird dagegen unternommen? Um dem Problem von Hass im Netz und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu begegnen, sind zahlreiche Maßnahmenen entstanden: auf zivilgesellschaftlicher, politischer und auch technologischer Ebene.
Schulen und andere Bildungseinrichtungen können vermitteln, wie Mensch mit Hass und falschen Informationen im Netz umgehen kann. Organisationen können Menschen, die von Hass im Netz betroffen sind, juristisch und psychologisch unterstützen. Plattformen wie Twitter und Facebook können Hasskommentare löschen. Polizei und Behörden können illegale Handlungen wie Volksverhetzung verfolgen und bestrafen. Auch staatliche Maßnahmen wie das Förderprogramm “Demokratie leben!” oder auch 89 Maßnahmen vom Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus sind wichtige Meilensteine für die Arbeit gegen Hass im Netz.
Trotz einer Vielzahl an Maßnahmen ist weiterhin viel zu tun, denn keine der Maßnahmen reicht alleine aus, um Hass im Netz zu verhindern. Auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Ansätze kommt es an. Unten findet ihr eine Darstellung der verschiedenen Maßnahmen. Sie sind danach geordnet, ob sie vor, während oder nach der Verbreitung von Hass im Netz ansetzen.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Was im analogen Raum als Straftat gilt, trifft auch auf den digitalen Raum zu. Dementsprechend sind z.B. Volksverhetzung oder Beleidigungen auch online strafbar. Wichtig ist die Durchsetzung dieser Gesetze für den digitalen Raum. Ergänzend dazu gibt es weitere Möglichkeiten, Regeln für die Verbreitung von Inhalten im Netz aufzustellen:
Der Staat schafft Gesetze: Ein Beispiel dafür ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, das von Unternehmen wie Twitter und Facebook verlangt, gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte auf ihren Plattformen vorzugehen.
Jugendschutz im Internet: Hass im Netz ist auch ein Problem für den Kinder- und Jugendmedienschutz. Auch hier bestehen entsprechende gesetzliche Regelungen. Mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) sorgen die Länder für eine einheitliche Rechtsgrundlage vor allem für die inhaltsbezogene Regulierung in den Bereichen Internet und Rundfunk.
Internationale Regulierung: Hass im Netz ist kein Phänomen, das nur innerhalb eines Staates bleibt. Das Internet muss demnach auch auf europäischer und internationaler Ebene stärker reguliert werden. Eine wichtige Maßnahme hierfür ist der Digital Services Act.
Die Plattformen stellen selbst Nutzungsregeln auf, um Hass-Inhalte zu löschen und Nutzer*innen zu sperren, die diese verbreiten, z.B. die Facebook Community Standards.
Damit sind alle Ansätze gemeint, die aufklären und Fähigkeiten vermitteln: um sich kritisch mit Hass im Netz auseinanderzusetzen, sich zu schützen und sich konstruktiv in Debatten einzubringen. Grundsätzlich ist jede Antidiskriminierungsarbeit ein wichtiger Teil von Präventionsarbeit gegen Hass online und offline. Zu konkreten Ansätzen von Präventionsarbeit gegen Hass im Netz gehören:
Aufklärung für die Auswirkungen von Hass im Netz, vor allem für strukturell diskriminierte Gruppen (z.B. Menschen mit Behinderungen, Frauen, People of Color). Ein Beispiel hierfür ist die Arbeit von CLAIM, der Allianz gegen antimuslimischen Rassismus. Neue Deutsche Medienmacher*innen setzen sich in ihrer Arbeit für Vielfalt in der Medienberichterstattung ein und bieten Hilfestellung und Weiterbildungen für Medienschaffende an.
Politische Beteiligung, also Menschen zu ermutigen, sich im Sinne von digitaler Zivilcourage politisch gegen Hass im Netz zu engagieren. Durch Kampagnen und Aufklärungsarbeit setzt beispielsweise die Arbeit der Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung, das No Hate Speech Movement und auch die Campaigning-Initiative campact! an.
Wertevermittlung, also einen konstruktiven Austausch im Netz zu fördern durch Demokratiebildung, Friedensbildung und ethische Bildung. More in Common ist ein Projekt, das sich gegen gesellschaftliche Spaltung einsetzt und Menschen zusammenbringt. Das Projekt Digital Streetwork der Amadeu Antonio Stiftung überträgt Sozialarbeit in den digitalen Raum. Pädagog*innen treten mit rechtsaffinen Jugendlichen in Kontakt, um demokratische Werte zu vermitteln.
Medienkompetenz zu vermitteln, um (Des-)Informationen und Hass-Inhalte erkennen und einordnen zu können. Durch Workshops hilft das Projekt Digitale Helden Schulen und Familien bei der Nutzung digitaler Kommunikation. codetekt ist ein Beispiel für ein Projekt, das Kompetenzen zur Erkennung von Falschinformationen fördert.
Kommunikationsfähigkeiten aufzubauen für gegenseitiges Verständnis und eine konstruktive Debattenkultur. Die Initiative Kleiner Fünf bietet beispielsweise Argumentationstrainings zum Umgang mit Hassrede an. Helden statt Trolle bieten u.a. Leitfäden und Trainings für respektvolle Diskussionen im Netz an.
Maßnahmen in dieser Kategorie setzen direkt dort an, wo Hass verbreitet wird. Sie beschreiben Kommunikationswege und Möglichkeiten der technischen Infrastruktur zur Begrenzung von Hass im Netz.
Infrastruktur sozialer Plattformen kann mit ihren zugrundeliegenden Mechanismen und Algorithmen die Ausbreitung von Hass begünstigen oder entgegenwirken. Darüber hinaus gibt es Ansätze wie Diskutier Mit Mir, die unabhängig von den großen sozialen Plattformen neue Diskursräume für konstruktive Diskussionen im Netz anbieten.
Moderation beschreibt unterschiedliche Maßnahmen, die direkt Einfluss auf die Diskussionen in den Kommentarspalten nehmen. Dazu zählt Gegenrede, also Erwiderungen, die Hassrede mäßigen oder entkräften und besonders auch für Mitlesende die Diskussion einordnen. Auch Fakten oder Hinweise auf angemessene Wortwahl sind gemeint. Bekannte Beispiele hierfür sind ichbinhier und LOVE-Storm. Beide Projekte bieten auch Workshops für den Umgang mit Hassrede an. Ebenso können kreative Ansätze Empathie wecken und Hassrede entwaffnen oder vom Kurs abbringen.
Melden und Löschen ist besonders wichtig, um identifizierte Hassinhalte schnell zu entfernen (durch User, Moderator*innen oder Künstliche Intelligenz), sodass der Schaden für Betroffene weiter eingegrenzt wird. Z.B. Hass melden oder die Meldestelle respect! prüfen Meldungen und geben Inhalte, die strafrechtlich relevant sind, zur weiteren Prüfung und Bearbeitung an zuständige Ermittlungsbehörden weiter.
Vor allem bei organisierten Hassattacken ist es besonders akut, Betroffene zu beraten, Inhalte zu melden und Solidarität zu zeigen. Aber auch bei anderen Formen digitaler Gewalt oder Cyber-Mobbing brauchen Betroffene unbedingt Unterstützung, u.a. damit die Angriffe überhaupt als strafrechtlich relevant weiterverfolgt werden können. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Betroffenen von Hass im Netz zu helfen:
Beratung: Um möglichst schnell unterstützen zu können, gibt es inzwischen Beratungsstellen wie HateAid, die u.a. juristische und psychologische Beratung vermitteln. Insbesondere bei massiven Hasskampagnen gegen einzelne Personen ist eine zentrale Anlaufstelle wichtig. Auch die mobilen Beratungen gegen Rechtsextremismus in den einzelnen Bundesländern sind zu Anlaufstellen bei Hass im Netz geworden.
Schutz für Menschen, die von Hassrede betroffen sind oder betroffen sein könnten ist von zivilgesellschaftlicher Seite immer wieder eine Forderung an die Politik. Präventiv können Tipps zum Schutz der Privatsphäre im digitalen Raum gegeben werden. Die Organisation Juuuport bietet Handreichungen und Workshops für junge Menschen an. Melderegistersperren schützen potenziell Betroffene, indem ihre private Adresse nicht weitergegeben werden darf. Im Ernstfall müssen Betroffene die Polizei aufsuchen und sollten dort auf Expert*innen treffen, die sich mit Hass im Netz auskennen.
Mobilisierung: Um Solidarität, Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel für Betroffene organisieren zu können, sind Petitionen, Spendenaktionen und Kampagnen wichtig, um auf menschenfeindliche Dynamiken hinzuweisen. Oft ist nur eine Person betroffen, diese repräsentiert aber eine Gruppe vieler, z.B. People of Colour oder Frauen. Beispiele für solche Mobilisierungen und gezielte Kampagnen sind der Sheroes Fund oder auch die #makeitsafe-Kampagne von HateAid zum Stopp Digitaler Gewalt gegen Frauen.
Um gegen Hass im Netz vorzugehen ist es wichtig, ihn möglichst gut zu verstehen. Monitorings und Analysen von Hass im Netz, aber auch Wirkungsforschung der Maßnahmen gehören inzwischen zum Repertoire vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie staatlicher Institutionen.
Monitorings zur Erfassung und Beobachtung von Hass im Netz in verschiedenen Kontexten bieten die Grundlage zur Messbarkeit. Denn erst wenn Vorfälle dokumentiert werden, können sie eine Rolle in den Statistiken spielen. Und erst durch diese Sichtbarkeit können Projekte und Maßnahmen gefördert werden. Jugendschutz.net beobachtet und erfasst jugendgefährdende Inhalte in unterschiedlichen Kontexten und digitalen Kanälen. Cemas erfasst antisemitische Dynamiken und beobachtet Diskussionen in alternativen Kanälen wie Telegram. Im I-Report von CLAIM werden Formen von antimuslimischen Rassismus dokumentiert.
Analysen: Erhobene Daten aus den Monitorings werden ausgewertet, um Zusammenhänge zu Hass, seinen Ursprüngen, Dynamiken und Folgen sichtbar zu machen. Hierfür gibt es zahlreiche Kooperationsprojekte zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen wie das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.
Vernetzung: Zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten in diesem und anderen Kompetenznetzwerken eng zusammen. Die Weitergabe von Wissen ist entscheidend, um einerseits schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können, aber auch um gemeinsame Strategien zu entwickeln. Das NETTZ fördert diesen Austausch durch unterschiedliche Veranstaltungsformate, wie dem jährlich stattfindenden Community Event.
Empowerment: Um digitale Zivilcourage und innovative Projekte gegen Hass im Netz zu fördern, müssen auch kleine Projekte die Chance haben, größer zu werden. Sie brauchen Sichtbarkeit, Aufbau neuer Kompetenzen und finanzielle Unterstützung. Das NETTZ organisiert hierfür regelmäßig ein Förderprogramm.
Advocacy: Auch der Austausch zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Vertreter*innen der sozialen Plattformen ist notwendig, um die Rahmenbedingungen zur Ausbreitung von Hass im Netz zu verändern. Durch Advocacy-Arbeit werden zivilgesellschaftliche Positionen in den politischen Entscheidungsprozess eingebracht, z.B. beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder auch dem Demokratiefördergesetz.